Donnerstag, 17. Februar 2005

My bags are packed, I'm ready to go

oder auch: Anreise mit Hindernissen
  • Die geplante Abreise in München war der 17. Februar, 8:30 Uhr. Aufgrund überraschenden Schneefalls Mitte Februar hatte meine Maschine nach Wien jedoch hat 30 Minuten Verspätung - der Anfang einer endlosen Odyssee.


  • An Bord meines Anschlussfluges in Wien hatte ich dann eine kurze Panikattacke. "Willkommen auf Ihrem Direktflug nach Kuala Lumpur."??? Aahh, bin ich in der Eile wegen der Verspätung in den falschen Flieger gestiegen? Auf Nachfrage bei einer Stewardess war dann allerdings klar. Wir stoppen in Kuala Lumpur zum taaanken! Danach geht's dann wie geplant weiter nach Sydney. Bevors losging, mussten wir allerdings noch 40 Minuten warten: das Triebwerk muss repariert werden...
  • Nach 8 Stunden Flug und einem einstündigen Tankstopp in Kuala Lumpur bei dem alle Passagiere das Flugzeug verlassen mussten, waren's dann nochmal 8 Stunden bis nach Sydney: die Zeit verging wie im Flug ;) NOT! Es zieht sich besonders, wenn man wie ich im Flieger nicht schlafen kann. Ich sag's euch, Australien ist ziemlich groß. Das wird einem eindrucksvoll bewusst, selbst wenn man nur drüberfliegt.
  • Auf meinem Flug nach Wellington erfuhr ich dann, dass mein Gepäck wegen der Verspätung in Sydney nicht mit an Bord war. Die freundliche Stewardess hat mich für diese Information extra aufgeweckt, nachdem ich endlich während der gesamten Reise das erste mal eingeschlafen bin.
  • Um 0:15 Uhr am 19. Februar 2005 bin ich dann endlich in Wellington angekommen. Dort musste ich dann erst mal meinen "verlorenen" Koffer beschreiben. Nachdem ich die Einreiseförmlichkeiten hinter mich gebracht hatte, versuchte ich mich dann erst mal zu orientieren. Ein Hotelzimmer hatte ich mir im Vorraus nicht gebucht. Bisher stand nur fest, dass mein Zug am nächsten Morgen um 8:40 Uhr vom Bahnhof in Wellington abfahren würde. Ich dachte mir, dass ich notfalls ja im Flughafen auf einer Bank schlafen könnte. Da wusste ich natürlich noch nicht, dass der Flughafen in Wellington nach dem letzten (meinem) Flug um 1:00 Uhr dicht macht.


  • OK. Plan B. Ich fragte einen der Taxifahrer, die vor dem Terminal auf Kundschaft wareteten, wo ich denn günstig übernachten könnte. Leider konnte ich kein einziges Wort verstehen. Ob es an meinen oder seinen Englischkenntnissen lag, mag ich nicht zu beurteilen.
  • Leicht verzweifelt ging ich zurück in die Gepäckausgabe des Flughafens, wo einige Telefone mit Informationsplakaten waren. Die hatten sicherlich auch Hostels, habe ich mir gedacht. Glücklicherweise traf ich dort Erik, der gerade bei einem Hostel angerufen hatte und mir anbot ein Taxi dorthin zu teilen. Auf der darauffolgenden Taxifahrt stellte sich dann heraus, dass Erik aus Schwaben kommt und daher dem Deutschen weitesgehend mächtig war. Immerhin soweit man es von einem Schwaben erwarten kann. (Erik falls du das hier liest, melde dich, ich hatte am Morgen keine Zeit Nummern auszutauschen, siehe unten). Er hatte schon einige Zeit in Australien zugebracht, bevor er in dieser Nacht nach Neuseeland kam und sprach daher um einiges besser Englisch als ich und somit habe ich ihm alles weitere Organisatorische in dieser Nacht überlassen.
  • Im XBackpackers angekommen, teilte uns der Typ an der Rezeption allerdings mit, dass sie für diese Nacht kein einziges Bett mehr frei hätten und dass auch der Rest der Stadt völlig ausgebucht war, weil am nächsten Tag das Cricketmatch Neuseeland gegen Australien stattfand.
  • Da wir kein Zimmer zum Schlafen hatten, machten wir das Beste aus der Situation und haben in Wellington die Nacht zum Tag gemacht. Obwohl ich zunächst totmüde war, bekam ich nochmal einen zweiten Wind und wir haben's bis 5 Uhr morgens krachen lassen.
  • Danach schmuggelten wir uns dann in die TV-Lounge des Backpackers, wo wir zuvor auch unser Gepäck in Schließfächer zurückgelassen hatten. Das heißt in meinem Fall: meinen Rucksack, weil mein Koffer ja noch in Sydney war.
  • Auf der Couch vor dem Fernseher habe ich dann verzweifelt versucht mich wach zu halten, weil mein Zug nach Palmerston North dreieinhalb Stunden später abging. Eins war klar. Sollte ich jetzt einschlafen, gab es keine Chance, dass ich rechtzeitig aufwachen würde. Insbesondere auch weil ich mein Handy in Deutschland zurückgelassen und meine Uhr einige Tage zuvor den Geist aufgegeben hatte. Somit hatte ich keine Möglichkeit irgendeinen Alarm zu stellen.
  • Mein neuer Freund hatte es sich in den Sitzkissen neben mir gemütlich gemacht und schlief den Schlaf der Gerechten.
  • Eisern harrte ich aus, bis ich mit zwei Mädels ins Gespräch kam, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen. Die müssen wohl während eines Sekundenschlafes reingekommen sein. Die beiden ereilte das selbe Schicksal wie uns und auch sie warteten nun bis ihr Zug am Morgen sie an ihr nächstes Ziel bringen würde. Sie versicherten mir, dass ich gerne meine Augen für eine Weile schließen könnte und sie mich ganz bestimmt wecken würden, damit ich meinen Zug nicht verpasse.
  • Nachdem ich mich nochmals vergewisserte, dass sie mich auch wirklich wecken würden, machte ich das dann auch. Ich schlief sofort ein. Ich schlief wie ein Stein. Ich glaube, dass ich mich während der Zeit in der ich da lag keinen Millimeter bewegt habe.
  • Was soll ich sagen? Sie haben mich nicht geweckt. Leider kann ich mich nicht mehr dran erinnern, wo die beiden herkamen, drum bleibt mir nichts anderes übrig als schamlos zu pauschalisieren, dass man Weibern einfach nicht trauen kann. Naja, zumindest haben sie mir nicht meinen Geldbeutel geklaut, der in meiner Gesäßtasche während meines Komas sicher ein leichter Fang gewesen wäre. Vielleicht tue ich ihnen auch komplett Unrecht und sie haben verzweifelt versucht mich aufzuwecken, haben dann aber aufgegeben, weil sie sonst selbst ihren Zug verpasst hätten. Durchaus im Bereich des Möglichen.
  • Ich wurde also von einer vollen Blase, gleisendem Sonnenschein in meinem Gesicht und vom Lärm von ca. 40 Leuten im Gemeinschaftsraum des Hostels geweckt. Ich bin natürlich erst mal hochgeschreckt. Nachdem ich mich kurz orientieren musste, war mir sofort klar das dieser Zug abgefahren war. Sprichwörtlich. Ich hatte zwar keine Uhr bei mir aber dem Sonnenstand und meinem Zustand in der Nacht zuvor zufolge musste es wohl so gegen Mittag sein. Mittag welchen Tages war ich mir nicht ganz sicher. Zum einen wegen der Zeitumstellung und zum anderen weil ich mir nicht ganz sicher war, ob ich denn nicht einen kompletten Tag durchgeschlafen hatte.
  • Ich machte mich auf die Toilette zu finden, um meiner Blase Erleichterung zu verschaffen. Den Typen am Pissoir neben mir fragte ich dann nach der Uhrzeit und konnte kaum glauben, dass es erst 8:12 war. Bei meinen vorherigen Schätzungen hatte ich wohl einige grobe Fehler gemacht. Beim Sonnenstand hatte ich nicht beachtet, dass in Neuseeland natürlich Spätsommer war und nicht wie bei uns zuhause Winter. Und bei meinem Schlafnachholbedürfniss nach 26 Stunden Anreise gefolgt von einer durchzechten Nacht mit nicht zu wenig Alkohol? Keine Ahnung, ich sag mal überagende Tagesform. Wahrscheinlich aber auch die Nervosität auf der anderen Seite der Welt auf mich allein gestellt zu sein ohne die Landessprache wirklich zu beherrschen. Was auch immer, es blieb nicht viel Zeit zu spekulieren, drum holte ich schnell meinen Rucksack aus dem Schließfach, lief aus dem Hostel zur nächsten Bushaltestelle, die ich noch vage aus der Nacht zuvor in Erinnerung hatte. Dort sprang ich einfach in den nächsten Bus und bat den Busfahrer darum, dass er mich doch dort aussteigen lassen sollte, wo er dem Bahnhof am nächsten käme. Das machte er dann auch nicht ohne mir auch noch ausführlich zu erklären wie ich denn am schnellsten zu den Gleisen komme. Unglaublich aber wahr, ich habe meinen Zug noch erreicht und keine 20 Sekunden nachdem ich einstieg ging die Reise Richtung Palmerston North dann auch los.
  • Kurz nach der Abfahrt versuchte der Kontrolleur mir dann zu erklären, dass ich mit meinem Ticket in der ersten Klasse mit den Panoramafenstern nichts zu suchen hatte. Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und meinem derzeitigen Halbschlafzustand verstand ich davon allerdings kein Wort. Gänzlich ungereizt gab der Schaffner dann nach geraumer Zeit auf und ließ mich in meinem Ersteklassesessel weiter dösen.
  • Nach zweieinhalb Stunden erreichten wir dann den Bahnhof in Palmerston North. Und mit Bahnhof meine ich hier das einzige Haus neben dem einzigen Gleis. Dort sollte ich eigentlich von einem Gesannten der Uni abgeholt werden, der selbstverständlich nicht auftauchte. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mich darüber jedoch nicht mehr echauffieren. Im "Bahnhof" gab es keine Schalter oder Tante-Emma-Läden. Das einzige Feature war eine Telefonzelle. Mit der einzigen anderen Person, die nach drei Minuten nach Ankunft des Zuges noch zu sehen war, teilte ich mir dann ein Taxi in die Stadt. Die Taxifahrerin war eine ältere Dame und furchtbar nett. Sie erklärte mir auf dem Weg zur Uni die komplette Stadt und auch den Kampus. Nur leider hatte ich dafür gerade überhaupt kein Ohr. Ich wollte einfach nur noch ins Bett und schlafen. Sie wartete dann auch noch vor der Unirezeption, wo ich die Schlüssel für mein Studentenzimmer abholen musste, ohne mir dafür was extra zu verlangen und brachte mich dann auch noch vor die Haustür. Wäre ich mir meiner Bierfahne von der Nacht zuvor nicht zu bewusst gewesen, hätte ich sie dafür umarmt. Zum Zähneputzen hatte ich bisher natürlich noch keine Zeit. Abgesehen davon war meine Zahnbürste auch in meinem Koffer in Sydney. Anfängerfehler. Von da an kamen meine Zahnbürste und einen Satz Kleidung zum Wechseln immer ins Handgepäck.
  • Nach 39 Stunden, wovon ich nur 4 geschlafen konnte, und 19.000 Kilometer war ich endlich am Ziel angekommen: Massey University, Palmerston North, Neuseeland.


  • Es war später Nachmittag und ich hab mich dann noch bis sieben Uhr abends durchgerungen, um den Jetlag in Grenzen zu halten. Nachdem ich etwas gegessen hatte, kaufte ich mir dann in dem kleinen Laden bei der Unirezeption noch eine Zahnbürste und etwas Seife. Um einiges frischer, aber immer noch in der selben Kleidung fühlte ich mich dann schon um einiges besser. Danach genoss ich dann aber einen wohlverdienten Schlaf. So halbwegs kann ich mich noch daran erinnern, dass später noch jemand an meine Tür klopfte, um mich zu fragen, ob ich denn auf eine Party mitkommen möchte. Ich hab allerdings nichts erwidert. Ich glaube ich hätte gar nicht gekonnt, nicht mal wenn ich wollte.
  • Mein Koffer kam dann erst zwei Tage später an. Ich kann mich nicht daran erinnern mich jemals so gefreut zu haben die Kleidung zu wechseln.
Es ist Einiges schief gegangen bei dieser Anreise. Allerdings möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Sie hat mich gelehrt, dass es immer irgendwie geht, egal was auch kommt und sie gab mir die Sicherheit, dass ich mich überall auf der Welt zurechtfinden kann.